Der tapfere Toaster

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Thompson
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Registriert: 30 Mai 2003, 12:58

Der tapfere Toaster

Beitrag von Thompson »

Ich habe den Text hier noch nicht gefunden, daher dachte ich, ich lasse Euch mal an diesem Literarischen Kurzgenuss Teilhaben.
Er passt irgendwie gut in die SR Welt und kann als Hacker/Technomancer Streich durch gehen. :)

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Eines Tages, als Herr Toussaint nach Hause kam, fand er eine 300-Euro-Lieferung Lebensmittel auf seiner Treppe. Also rief Herr Toussaint seinen Lebensmittelladen an: "Warum haben Sie mir all diese Lebensmittel geschickt?" fragte er. "Mein Kühlschrank ist doch noch ganz voll mit köstlichen Dingen. Ich kann all dieses Zeug nicht brauchen, und ich kann es auch gar nicht bezahlen". Aber Frau Rousseau konnte ihm auch nicht helfen. Er habe das alles doch bestellt sagte sie. Sein Kühlschrank habe die Liste gemailt – sie hätte einen unterschriebenen Auftrag, um das zu beweisen.

Wütend lief Herr Toussaint zu seinem Kühlschrank und öffnete ihn. Seltsamerweise war der Kühlschrank leer, obwohl er morgens noch gut gefüllt war. Oder besser gesagt: fast leer. In der hintersten Ecke stand eine Tüte mit einem obskuren Energy Drink, den ihm eine freundlich lächelnde junge Frau gestern in der U-Bahn-Station in die Hand gedrückt hatte. Jeder hatte so ein Tütchen bekommen.

"Warum hast Du alles weggeworfen?", fragte Toussaint seinen Kühlschrank. "Es war verdorben", brummte der Kühlschrank unwillig. Aber das Essen war nicht verdorben, da war er ganz sicher. Missgestimmt ließ Toussaint ein Diagnoseprogramm laufen, aber der Kühlschrank hatte keine offensichtliche Fehlfunktion. Dann öffnete er die Log-Dateien – war die Kühlung vielleicht zwischendurch ausgefallen? Auch das war nicht der Fall – aber dann fand er den Fehler. Es war der Energy-Drink, natürlich: "Du hast mich nicht gefunden, Du hast mich nicht gesehn. Ich stinke doch nach Fäule. Ich gase aus Ethen", summte das Tütchen leise vor sich hin.

Misstrauisch schnüffelte Toussaint an der Verpackung. "Nein, tust Du nicht", sagte er und las den Aufdruck auf dem Tütchen. LOONY GOONY hieß das Getränk und es sollte "EINE BILLION MAL WIRKUNGSVOLLER ALS KOFFEIN" sein, stand da in großen, schreienden Buchstaben. Allmählich hatte er das ungute Gefühl, einem dieser schlechten "Internet der Dinge"-Scherzen aufgesessen zu sein. Herr Toussaint mochte diese Scherze nicht: Er stopfte die verdächtige Packung in den Mülleimer und begann seine neuen Einkäufe im Kühlschrank zu verstauen.

Doch als Herr Toussaint am nächsten Tag nach Hause kam, stank die ganze Wohnung nach Müll. Der Müllschlucker hatte sich geweigert, den Abfall zu akzeptieren. "Warum hast Du dich nicht ausgeleert", fragte er den Mülleimer. Das Abfallentsorgungssystem des Hauses erklärte ihm, dass giftige Substanzen gesondert zu entsorgen seien. "Was für giftige Substanzen", fragte Toussaint, doch er erhielt keine Antwort. Also leerte er den Mülleimer selbst aus. Stück für Stück. Ganz unten lag, wie erwartet, die kleine Getränketüte. "Sie werden es nicht glauben", sang die Packung leise. "Enthalte böse Laugen. Bin eine böse Batterie. Mit Blei und Zink, vergiss das nie!".

"Bist Du nicht", schnaubte Toussaint, schnappte sich die Tüte und stopfte sie in die Mikrowelle. Wollen doch mal sehen, was diese überschlaue Ding zu einer ordentlichen Dosis elektromagnetischer Strahlung sagt, dachte er. Aber die Mikrowelle ging nicht an. "Bin kein Essen und kein Trinken", zwitscherte das Tütchen. "Bestehe aus Stahl, habe Klinge und Zinken".

Auch die Geschirrspülmaschine verweigerte den Dienst ("Bitte gib mir nicht den Rest. Bin doch gar nicht spülenfest"), die Toilette weigerte sich, das Ding herunterzuspülen ("Ich gehör nicht in den Topf, weil ich bestimmt gar alles verstopf") und als Toussaint das Fenster öffnen wollte, um die Packung im hohen Bogen auf die Straße zu werfen, ging es – aus Sicherheitsgründen – nicht auf. Das war keine echte Überraschung. "Ich hasse Dich", sage Toussaint, und stopfte "LOONY GOONY" in seine Manteltasche. Er würde das Mistding morgen auf dem Weg zur Arbeit in irgendeine Mülltonne werfen.

Sie verhafteten ihn an der Haltestelle der 678. Straße. Die gesamte Station war evakuiert worden, und die Polizei trug spezielle Schutzanzüge – sogar die Maschinenpistolen waren mit Klarsichtfolie eingewickelt: Als er aus der Bahn stieg, wurden ihm sofort Handschellen angelegt. "Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Biowaffe heiß", kicherte der Energy-Drink. Als Herr Toussaint am nächsten Tag entlassen wurde, zwangen sie ihn, LOONY GOONY mitzunehmen. Es gab eine Menge Leute auf der Wache, die das Zeug dabeihatten – und die Polizei hatte wichtigeres zu tun, als sich um die Entsorgung von Getränkepackungen zu kümmern.

Herr Toussaint bezahlte die Gebühren, die das Lagerhaus berechnete, um seinen Container bereitzustellen. Das war nicht ganz billig, aber dafür wurde der Container vom Lagerhaus, das sich irgendwo in einer menschenleeren Wüste befand, direkt in die Lieferzone seines Mietshauses gefahren. Toussaint zog alte Kleider an, klemmte sich eine Lampe an seine Brille, und begann den Inhalt des Containers zu durchwühlen.

Die meisten Sachen in dem Container waren dumm. Sie stammten von seinem Großvater. Als Opa starb musste er dessen Wohnung ausräumen. Und statt alles einfach wegzuwerfen, schaufelte er den Inhalt der Wohnung in diesen Container und ließ sie in der Wüste lagern.

Von Zeit zu Zeit dachte er an den Container: Acht Kubikmeter dummes Zeug. Dann musste er seufzen. Er hatte seinen Großvater geliebt. Aber hätte der alte Mann nicht wenigstens einen kleinen Teil seiner Lebenszeit dafür aufwenden können, all diesen alten Plunder durch intelligente Gegenstände zu ersetzen? Wie rücksichtslos!

Die ganze Wohnung versuchte mit dem Toaster zu sprechen, als Toussaint den Stecker des altertümlichen Brotrösters in die Steckdose stöpselte. Aber der Toaster blieb stumm. Er konnte nicht sprechen, war dumm und stumm. Seine Schlitze waren geschwärzt, er war voll alter Krümel – ein Werkzeug von Höhlenmenschen, die nie etwas von den Vorteilen einer vernetzten Umgebung gehört hatten.

Er war dumm, aber er war mutig. Und er würde alles tun, was Herr Toussaint von ihm verlangte. "Du nimmst mich besser ganz schnell hier raus, denn sonst brennt das ganze Haus", sang die Getränkepackung, als Toussaint sie in den Toaster steckte. Doch der Toaster ignorierte die Warnung. "Wenns zu heiß wird mir, dann ich explodier", faselte die Packung sichtlich nervös, doch der Taster reagierte nicht – als Toussaint den Hebel drückte, begannen die Heizspiralen zu glühen. Wieder und wieder drückte Toussain den Hebel. Die anderen Haushaltsgeräte begannen nervös miteinander zu tuscheln.

"Alles raus, alles raus, gleich explodiert das ganze Haus", kreischte LOONY GOONY und Toussaint beschloss sicherheitshalber das System der Wohnung zu kontrollieren. Gerade noch rechtzeitig: Die Haushaltgeräte waren nahe daran, gemeinsam Alarm auszulösen – also stöpselte Toussaint den Kühlschrank und die Mikrowelle aus.

Die Feuerwehr nahm ihm den Taoster ab und schlug große, anklagende Löcher in die Wände. Angeblich um nach Schwelbränden zu suchen, sagten sie. Aber Toussaint wusste es besser. Die Jungs waren stocksauer, weil er einfach keine gute Begründung dafür angeben konnte, dass er einen kleinen Beutel voller Elektronik so lange in einen antiken Toaster gestopft hatte, bis schwarzer, öliger Rauch im Treppenhaus hing. Seine Nachbarn hatten das gar nicht komisch gefunden.

Aber Toussaint war das egal. Es hatte sich gelohnt. Es hatte ihn zutiefst befriedigt LOONY GOONY zuzuhören, der jammerte, kreischte und um sein Leben bettelte. Es hatte ihn fröhlich gemacht, zu sehen, wie die Verpackung schwarz wurde und sich zusammenkrumpelte. Doch so sehr er sich auch bemühte, mit Engelszungen auf die Feuerwehrleute einzureden – den Toaster nahmen sie ihm weg.
Thompson

Nur wer gegen den Strom schwimmt,
kommt zur Quelle.
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CertusRaven
Rätselrabe
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Registriert: 14 Dez 2006, 17:53

Beitrag von CertusRaven »

Wundervoll und herrlich zu lesen. Danke dafür. :)
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"Das Chaos besiegt die Ordnung, weil es besser organisiert ist." (Terry Pratchett)
"Nur der chaotische Geist ist auf der Suche nach der Freiheit." (Jiddu Krishnamurti)
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Indigo
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Beitrag von Indigo »

:ok: Sehr cool
Ich hab nur Unsinn im Sinn - und ich hab dich im Visier ;-p

http://shadowrunkoeln.wordpress.com
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Hanke
Squatter
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Beitrag von Hanke »

Von mir auch danke schön
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